Reise nach Paris Teil II.

Paris - Tuilerienpalast Gesamtansicht des "Palais des Tuileries" mit dem Louvre im Hintergrund auf einem Stich um 1857 - Foto: Wikipedia (gemeinfrei)







Mozart erkennt sehr schnell, dass die Pariser Gesellschaft, die etwa vor 14 Jahren ihn und seine Schwester noch gefeiert hatte, heute sehr zurückhaltend auf ihn reagiert. Von Hochschätzung und Gönnerschaft des Hochadels wie damals konnte kaum noch die Rede sein. Seine Kontakte zu Musikfreunden, die ihm hätten weiterhelfen können, erweisen sich als Fehleinschätzung. Ein Glücksfall für Mozart ist die Begegnung mit Johann Christian Bach, seinen älteren Komponistenkollegen, den er bereits aus London kennt. Es verwundert daher nicht, dass Mozart seinem Vater diese Zeilen schickt:


Paris Kirche Notré Dame






Paris, den 1. May 1778.

(...) Wenn hier ein Ort wäre, wo die Leute Ohren hätten, Herz, zu empfinden, und nur ein wenig Etwas von der Musik verständen und Gusto hätten, so würde ich von Herzen zu allen diesen Sachen lachen, aber so bin ich unter lauter Vieher und Bestien (was die Musik anbelangt). Wie kann es aber anders seyn? Sie sind ja in allen ihren Handlungen, Leidenschaften und Passionen auch nicht anders – es giebt ja keinen Ort in der Welt, wie Paris. Sie dürfen nicht glauben, dass ich ausschweife, wenn ich von der hiesigen Musik so rede. Wenden Sie sich, an wen Sie wollen – nur an keinen gebornen Franzosen – so wird man Ihnen (wenn es Jemand ist, an den man sich wenden kann) das Nämliche sagen. Nun bin ich hier. Ich muss aushalten, und das Ihnen zu Liebe. Ich danke Gott dem Allmächtigen, wenn ich mit gesundem Gusto davon komme. Ich bitte alle Tage Gott, dass er mir die Gnade giebt, dass ich hier standhaft aushalten kann, dass ich mir und der ganzen deutschen Nation Ehre mache, und dass er zulässt, dass ich mein Glück mache, brav Geld mache, damit ich im Stande bin, Ihnen dadurch aus Ihren dermaligen betrübten Umständen zu helfen, und dass wir bald zusammen kom men und glücklich und vergnügt mit einander leben können.“ [1]



Paris - Tuilerienpalast "Pavillon de Flore" - Süd-Flügel des Palais des Tuileries - Foto: Wikipedia (gemeinfrei)


Schon seit Beginn des 18. Jahrhunderts diskutierten der königliche Hof und die Pariser Gesellschaft leidenschaftlich die Frage nach dem Vorrang der italienischen vor der französischen Oper, und umgekehrt. Auf der einen Seite (der italienischen) stand der Komponist Niccolò Piccinni (1728 - 1800) und auf der anderen der Komponist Christoph Willibald Ritter von Gluck (1714 - 1787). Dieser Streit machte Geschichte im Zusammenhang mit der „Gluckschen Opernreform“. Baron de Grimm war in dieser Frage ein Anhänger Glucks und riet Mozart, Partei für diese Reform zu nehmen, weil es sich für ihn eher lohnen würde, an der Pariser Oper Fuß zu fassen.



Christoph Willibald Ritter von Gluck Ausschnitt Öl auf Leinwand von Josef-Sifrède Duplessis, Wien 1775 - Bildquelle: Wikipedia (gemeinfrei)


Allein Mozart blieb in diesem Streit unparteisch, was ihm sein Freund und Gönner Baron Grimm übel nahm. Seine Mutter war während der täglichen Ausgänge ihres Sohnes sehr oft allein und einsam. Die Wohnung, in der beide zusammenlebten, soll feucht und kalt gewesen sein. Ob dies ein Grund war für die plötzliche Erkrankung der 57-jährigen Mutter? Fakt ist, seit dem 19. Juni klagt sie über Unwohlsein und wird wenig später bettlägerig. Anna Maria Mozart stirbt am 3. Juli 1778 am Fieber. Die Trauerfeier wird in Anwesenheit ihres Sohnes in der Kirche Saint-Eustache in Paris gehalten, anschließend wird sie auf dem Friedhof der Kirche begraben.



Paris Kirche Saint-Eustache - Foto: Wikipedia - Autor: Pavel Krok - Lizenz: s.u.


Im Kirchenbuch von Saint-Eustache ist zu lesen: „An diesem Tag, Marie-Anne Pertl, 57 im Alter, die Ehefrau von Leopold Mozart, Kapellmeister in Salzburg, Bayern, verstarb gestern in der Rue du Groschenet (Anm.: auch Rue du Gros-Chenest genannt, ab 1849 Rue du Sentier) und wurde auf dem Friedhof begraben (...).“ [2] In der Kirche Saint-Eustache erinnert eine Gedenktafel aus dem Jahr 1953 an den Tod der Mutter Mozarts. Die Tafel wurde auf Initiative der Stadt Salzburg hier angebracht, da der Friedhof der Kirche schon seit langer Zeit aufgelassen wurde. Der Tod der Mutter erschütterte Mozart tief. Mehrere bis heute berühmte Briefe, die Mozart aus Paris an seinen Vater schrieb, behandeln dieses tragische Ereignis.



Paris Gedenktafel in der Kirche Saint-Eustache an den Tod der Mutter Mozarts in Paris - Foto: Wikipedia - Autor: Parisette - Lizenz: s.u.

Mozart, W.A. - Grabmusik Passionskantate KV 42




Der Jesuit Franz Joseph Johann Nepomuk Bullinger (1774 - 1810), auch Abbé Bullinger genannt, war ein Freund der Familie Mozart. Bullinger studierte Philosophie, Mathematik und Theologie in Ingolstadt. Ab 1761 war er Novize des Jesuitenordens in Landsberg am Lech, 1768/70 Magister am Jesuitengymnasium St. Michael in München, 1771 war er in Freiburg/Breisgau, 1772 am Jesuitenkolleg in Neuburg an der Donau tätig. Nach Aufhebung des Ordens (1773) war er Privatlehrer bei Adeligen und Bürgerlichen. Er unterstützte Wolfgang Amadeus Mozarts Reise nach Paris 1777 und berichtete darüber. Im Juli 1778 schrieb Wolfgang Amadeus Mozart einen Brief an Bullinger mit der Bitte, Mozarts Schwester Nannerl und seinen Vater Leopold über die schwere Krankheit und den Tod seiner Mutter am 3. Juli in Paris mündlich vorzubereiten.



Salzburg St. Michaelskirche am Residenzplatz


„Paris, ce 3 Juillet 1778.

Allerbester Freund!
(für Sie ganz allein.)

Trauern Sie mit mir, mein Freund! – Diess war der traurigste Tag in meinem Leben – das schreibe ich um zwey Uhr Nachts – ich muss es Ihnen doch sagen, meine Mutter, meine liebste Mutter ist nicht mehr! – Gott hat sie zu sich berufen – er wollte sie haben, das sah ich klar – mithin habe ich mich in den Willen Gottes gegeben. – Er hat sie mir gegeben, er konnte sie mir auch nehmen. Stellen Sie sich nur alle meine Unruhe, Angst und Sorgen vor, die ich diese vierzehn Tage ausgestanden habe. – Sie starb, ohne dass sie Etwas von sich wusste – löschte aus wie ein Licht. Sie hat drey Tage vorher gebeichtet, wurde abgespeis't und empfing die heilige Oehlung. – Die letzten drey Tage aber phantasirte sie beständig, und heute um 5 Uhr 21 Minuten Abends griff sie in Zügen, verlor also gleich dabey alle Empfindung und Sinne – ich drückte ihr die Hand, redete sie an – sie sah mich aber nicht, hörte mich nicht, und empfand Nichts – so lag sie, bis sie verschied, nämlich in 5 Stunden, um 10 Uhr 21 Minuten Abends (...)

Dero

gehorsamster, dankbarster Diener

Wolfgang Amadé Mozart.

Aus Fürsorge:

Rue du gros chenet, vis-à-vis celle du croissant

à l'hôtel des quatre fils aimont.“ [1]



Salzburg - Domkirche Interieur

Musikalische Werke


In Paris konnte Mozart immerhin seine Ballettmusik „Les petits riens“ aufführen, bekam darüber hinaus aber keine weiteren Engagements. Zu den weiteren Werken des Pariser Aufenthalts von Mozart gehören neben der Symphonie D-Dur (KV 297), die auch als 31. Symphonie oder Pariser Symphonie bezeichnet wird, das Konzert für Flöte und Harfe C-Dur (KV 299). Den Entstehungsanlass lieferte die Bekanntschaft mit dem ehemaligen französischen Gesandten in England, Adrien-Louis Bonnières de Souastre, Comte de Guines, der laut Mozart ein „unvergleichlicher” Flötenspieler gewesen sein soll. Weiterhin komponierte er u.a. ein Quartett für Streicher A-Dur, 4sätzig (KV 298), Gavotte für Orchester (KV 300), Sonate für Klavier und Violine (e-Moll), 2sätzig (KV 304), Sonate für Klavier (a-Moll), 3sätzig (KV 310), Capriccio für Klavier (KV 395) und weitere 5 Sonaten für Klavier.



Paris Hotel de Ville - Rathaus

KV 354: 12 Variationen für Klavier, Paris, 1778



1778 - Paris



Kompositionen 1778:

KV 313:
Konzert für Flöte mit kleinem Orchester (G-Dur), 3sätzig (Mannheim, 1778),
KV 314: Konzert für Flöte (oder Oboe?) mit kleinem Orchester (D-Dur), (Mannheim, 1778 ?),
KV 315: Andante für Flöte mit kleinem Orchester (C-Dur), (Mannheim, 1778 ?),
KV 301: Sonate für Klavier und Voline (G-Dur), 2sätzig, (Mannheim, Februar 1778),
KV 302: Sonate für Klavier und Violine (Es-Dur), 2sätzig, (Mannheim, Anfang 1778),
KV 303: Sonate für Klavier und Violine (C-Dur), 2sätzig, (Mannheim, Februar 1778),
KV 305: Sonate für Klavier und Violine (A-Dur), 2sätzig, (Mannheim, 1778),
KV 294: Rezitativ und Arie für Sopran (Alcandro, lo confesso" bzw. "Non so, d'onde viene") mit Orchester, (Mannheim, 24. Februar 1778 für Aloysia Weber),
KV 295: Arie für Tenor ("Se al labbro mio non credi) mit Orchester, (Mannheim, 27. Februar 1778),
KV 308: Ariette ("Dans un bois solitaire") für Singstimme und Klavier, Text von Antoine Houdart de la Motte (Mannheim, Februar 1778 für Auguste Wendling),
KV 296: Sonate für Klavier und Violine (C-Dur), 3sätzig, (Mannheim, 11. März 1778),
KV 322: Kyrie für 4 Singstimmen, Orchester und Orgel (Fragment) - (Mannheim, Anfang 1778),
KV 299: Konzert für Flöte und Harfe mit Orchester (C-Dur), 3sätzig, (Paris, April 1778),
KV 298: Quartett für Streicher (A-Dur), 4sätzig, (Paris, 1778),
KV 354: 12 Variationen für Klavier über "Je suis Lindor", Romanze aus A.L. Baudrons Vertonung des "Barbier" von Beaumarchais (Paris, 1778),
KV 300: Gavotte für Orchester (Paris, Mai oder Juni 1778),
KV 297: Sinfonie (D-Dur), 3sätzig, (Paris, Juni 1778),
KV 316: Rezitativ und Arie für Sopran - (begonnen wahrscheinlich in Paris 1778, vollendet in München, 8. Januar 1779, für Aloysia Weber),
KV 304: Sonate für Klavier und Violine (e-Moll), 2sätzig, (Paris, 1778),
KV 310: Sonate für Klavier (a-Moll), 3sätzig, (Paris, 1778),
KV 265: 12 Variationen für Klavier über "Ah, vous dirai-je, mamman" (Paris, 1778),
KV 353: 12 Variationen für Klavier über "La belle Francoise" (Paris, Sommer 1778),
KV 395: Capriccio für Klavier (Paris, Mitte Juli 1778 ?),
KV 330: Sonate für Klavier (C-Dur), 3sätzig, (Paris, Sommer 1778),
KV 331: Sonate für Klavier (A-Dur), mit Variationen im 1. Satz, 3sätzig, (Paris, Sommer 1778 ?),
KV 332: Sonate für Klavier (F-Dur), 3sätzig, (Paris, 1778),
KV 306: Sonate für Klavier und Violine (D-Dur), 3sätzig, (Paris, 1778),
KV 333: Sonate für Klavier (B-Dur), 3sätzig, (Paris, 1778),
KV 264: 9 Variationen für Klavier über ein Thema von Nicolas Dezéde "Lison dormait", (Paris, Spätsommer, 1778 ?),



Paris Säulengang im Palais Royal zum Innenhof - Foto: Wikipedia (gemeinfrei)


Paris, ce 9 Juillet 1778.

Monsieur mon très cher Père!


(...) Nun, der göttliche, allerheiligste Wille ist vollbracht – beten wir also ein andächtiges Vater unser für ihre Seele – und schreiten wir zu andern Sachen: es hat Alles seine Zeit. – Ich schreibe dieses im Hause der Madame d'Epinay und des Mons. Bar. de Grimm, wo ich nun logire, ein hübsches Zimmerl mit einer sehr angenehmen Aussicht habe, – und, wie es nur immer mein Zustand zulässt, vergnügt bin. – Eine grosse Hülfe zu meiner möglichen Zufriedenheit wird seyn, wenn ich hören werde, dass mein lieber Vater und meine liebe Schwester sich mit Gelassenheit und Standhaftigkeit gänzlich in den Willen des Herrn geben, – sich ihm von ganzem Herzen vertrauen, in der festen Ueberzeugung, dass er Alles zu unserm Besten anordnet (...).“ [1]

In den Briefen ab dem 3. Juli schildert Mozart seinem Vater die Hintergründe um den Tod seiner Mutter. Durch Wofgangs Brief an Abbé Bullinger sind seine Lieben zuhause schon vorbereitet. In einem Brief des Vaters gegen Ende August 1778 deutet dieser an, dass es Möglichkeiten gibt, wieder in Salzburg eine Musikerstelle anzutreten. Sein letzter Satz in diesem Brief lautet: „Mein nächster Brief wird Dir sagen, dass Du abreisen sollst.“



Paris - Kathedrale Notre-Dame de Paris Hauptportal (Westfront) - Foto: Wikipedia - Autor: Arnaud Gaillard - Lizenz: s.u.


Rückreise


Die Rückreise nach Salzburg, die er widerwillig knapp drei Monate später am 26. September antrat, um die vakante Stelle eines Hoforganisten anzutreten, führte ihn über Straßburg, Mannheim und Kaisersheim nach München, wo er noch einmal der Familie Weber begegnete. Die Begegnung mit Aloysia Weber verläuft anders, als er es sich gewünscht hatte. Sie will nichts mehr von ihm wissen. Erst Mitte Januar 1779 erreichte er seine Heimatstadt und wurde am 17. Januar zum Hoforganisten ernannt. Hier komponierte er die später so genannte Krönungsmesse (KV 317).



Straßburg Malerische Häuser an der Ill - Foto: Wikipedia (gemeinfrei)

Quellenangabe:


1.: Zitiert nach Nissen, Georg Nikolaus von: Biographie W.A. Mozart's. Leipzig: Breitkopf & Härtel, 1828 Permalink: Zeno.org - Meine Bibliothek - Contumax GmbH & Co. KG (gemeinfrei)

2.: Informationen zum Eintrag ins Kirchenbuch der Gemeinde von Saint-Eustache in Paris stammen aus der Wikipedia, zuletzt abgerufen am 27.11.2016!

Die Fotos "Gedenkktafel in der Rue du Sentier 8 in Paris - Autor: Gérard Janot" - "Gedenktafel in der Kirche Saint-Eustache - Autor: Parisette" - "Kirche Saint-Eustache - Autor: Pavel Krok" - "Hauptportal Notre-Dame de Paris (Westfront) - Autor: Arnaud Gaillard" stammen aus der freien Enzyklopädie Wikipedia. Diese Dateien sind lizenziert unter der Creative Commons-Lizenz „Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Unported.















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